Karpfenangeln im Winter ist eine Herausforderung. Die Gewässer sind verwaist, die Natur hat sich schlafen gelegt. Die Leichtigkeit der warmen Jahreszeit ist verflogen. Wie Skelette stehen die kahlen Bäume am Ufer. Die Tage sind kurz und grau, Kälte, Nässe und Dunkelheit drücken aufs Gemüt. Doch es lohnt sich, sich von diesem hässlichen Gesicht des Winters nicht entmutigen zu lassen. Wer sich da durchbeißt, dem zeigt der Winter auch seine freundlichen Seiten. Bei den milden Temperaturen hierzulande leider viel zu selten mit schneegepuderten Landschaften wie aus dem Bilderbuch, dafür findet man an den Gewässern aber viel Ruhe und Entspannung. Und, was uns natürlich reizt: prächtig gefärbte, kapitale Winterkarpfen, die allerdings hart erarbeitet werden wollen.
Dieser Herausforderung wollte ich mich annehmen. Im Vorjahr war mir das nicht gelungen. Zwei erfolglose Sessions bei Minusgraden Ende November, Anfang Dezember ließen mich die Flinte ins Korn werfen und das Tackle einmotten. Was folgte, war der gefühlt mildeste Winter aller Zeiten und die Gewissheit, die Chance auf ein paar erfolgreiche Wintersessions vertan zu haben.
Gute Vorbereitung ist alles
Diesmal sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Schon früh begann die Vorbereitung, die beim Winterangeln essentiell ist und aus der Wahl eines geeigneten Gewässers und regelmäßigen Futtergaben besteht. Um flexibel auf die jeweilige Wetterlage reagieren zu können und den Angeldruck nicht zu groß werden zu lassen, fiel die Wahl auf zwei Gewässer unterschiedlichen Charakters. Bereits ab Ende Oktober, Anfang November startete die Futterkampagne. Im zweitägigen Rhythmus wurden die Plätze befüttert und das durchgängig bis ins neue Jahr.
Das richtige Futter
Apropos Futter: Während zu Beginn der Futterkampagne – abhängig von Gewässer und Fischbestand – noch größere Mengen Boilies und zusätzlich auch Partikel und Groundbait zur Aktivierung der Plätze hilfreich sind, sollte die Futtermenge mit fallenden Wassertemperaturen kontinuierlich verringert werden. Fällt die magische 10-Grad-Marke, reichen erfahrungsgemäß 2-3 kg alle zwei Tage vollkommen aus, später dann sogar nur noch wenige hundert Gramm. Auf Partikel verzichte ich wegen der langsameren Verdaulichkeit dann komplett. Dafür sollte nicht an der Qualität des Futters gespart werden. Jetzt gilt Klasse statt Masse. Vielmehr sollte auf Attraktivität gesetzt werden. Teig hat einen enormen Lockeffekt und beschäftigt die Fische lange am Platz. Auch Liquids und Bait Attractor dürfen nun nicht fehlen. Damit lassen sich vor allem die Hakenköder noch einmal pimpen, denn für diese heißt es nun: Auffallen um jeden Preis. Gerne setze ich nun auf Snowmans aus gedippten Bodenködern und auffälligen Pop Ups oder Teig im Paster angeboten. Mit Beifutter halte ich mich dafür beim eigentlichen Angeln hingegen zurück.
Im Team zum Erfolg
Zwei Langzeitfutterplätzen an unterschiedlichen Gewässern, die schon Wochen vor der ersten Session unter Futter gehalten werden wollen, meistens in der Dunkelheit und nicht selten bei Winterwetter der ungemütlichsten Art. Das artet nicht selten in Arbeit aus und kostet Überwindung. Als Einzelkämpfer ist da die Versuchung groß, frühzeitig die Winterpause einzuläuten. Ein guter Angelpartner ist nun Gold wert und hält die Motivation hoch. Ich konnte mich glücklich schätzen, dass mein Freund Paddy – eigentlich bekennender Frühlings- und Sommerangler – in diesem Jahr über weite Strecken mit durchzog. Geteilte Arbeit ist halbe Arbeit, geteilte Freude aber doppelte Freude!
Nicht entmutigen lassen
Zu keiner anderen Jahreszeit zahlt sich langfristiges Füttern mehr aus und erhöht die Fangaussichten deutlicher als im Winter. Davon bin ich überzeugt. Und doch sind nasse Kescher und Matten in der kalten Jahreszeit kein Selbstläufer. Die Beißphasen sind insgesamt kürzer und die Beißzeiten unterscheiden sich teilweise deutlich von denen zu anderen Jahreszeiten. Auch auf Wetterwechsel reagieren die Fische oft empfindlich. Davon sollte man sich jedoch nicht entmutigen lassen. Blanken gehört nun dazu, lässt sich aber mit warmer Kleidung, heißen Getränken und einer Zeltheizung aushalten.
Hinten sind die Schweine fett
Obwohl wir in einer Nacht Anfang Dezember gleich fünf Fische fangen konnten, sind Massenfänge nun in der Regel nicht zu erwarten. Dafür liegt das Durchschnittsgewicht der gefangenen Fische meist höher. Vor allem aber machen Brassen & Co. nun keinen Ärger mehr. Der Winter ist immer gut für gewichtige Überraschungen, davon durften wir uns überzeugen.
Bis dass das Eis uns scheidet
Prinzipiell kann man in milden Wintern ohne Pause durchangeln. Denn Väterchen Frost gelingt es immer seltener, die Gewässer für längere Zeit zufrieren zu lassen. Aber: Winterangeln ist anstrengend. Bei aller Winterromantik sieht die Realität doch meist so aus, dass man seinen inneren Schweinehund immer wieder neu überwinden muss, um das gemütliche Sofa gegen Nasskälte und Dunkelheit einzutauschen. Zudem kommt früher oder später meist eine Phase, in der die Bissfrequenz deutlich nachlässt. Dann wird es wirklich zäh. Inzwischen habe auch ich das Tackle in den Winterschlaf geschickt. Auch wenn mir der begehrte Schneekarpfen aufgrund fehlenden Schnees nicht vergönnt war: Die Saisonverlängerung hat sich gelohnt!
Philipp Magenheimer