Schon beim Anbiss merke ich: Dieser Fisch ist anders. Die einzelnen Piepser, die der Micron von sich gibt, lassen mich zunächst an eine Brasse oder Schleie denken. Erst als ich die Rute schon aufnehmen will, entwickelt sich ein gleichmäßiger, langsamer Run. Der Drill gleicht einer Zitterpartie, immer wieder hängt mein Gegenüber bzw. die Schnur im immer noch dicht stehenden Kraut fest. Doch schließlich geht alles gut und am Ende des zähen Ringens gleitet ein ledriger, alter Spiegler in den Kescher. Ein echter Charakterfisch und ich freue mich riesig über den alten Recken. Der dritte Fisch der Session und endlich scheint der Knoten geplatzt. Denn bisher war ich hier in diesem Jahr nicht sonderlich erfolgreich. Gut möglich, dass es daran liegt, dass nun der Herbst Einzug hält und die für mich schönste Jahreszeit am Wasser beginnt, in der ich einfach in meinem Element bin.
Eine Woche zu früh
Der Übergang vom Spätsommer zum Herbst, wenn die Tage schon wieder kürzer und die Nächte kühler werden, ist immer eine ganz heiße Phase. Leider oftmals nur von kurzer Dauer. Und die wollten wir abpassen. Deshalb standen mein Angelkumpel Paddy und ich bereits Ende August in den Startlöchern bzw. saßen hinter den Ruten. Über längere Zeit wurde der Platz mit ordentlich Futter vorbereitet. Yellow Scopex Boilies sollten zum Erfolg führen: Auffällige Farbe, leicht verdaulich, gute Härte und nicht zu attraktiv, um nicht allzu viele Mitesser anzulocken. Kontinuierlich und auf großer Fläche gefüttert, wollten wir den Karpfen eine verlässliche Anlaufstelle bieten. Doch der gedanklich schon ausgemalte Fangrausch blieb aus. Ja, wir fingen ein paar Fische aber gemessen am Aufwand, den insbesondere Paddy betrieben hatte, konnten wir nicht zufrieden sein. Als dann eine Woche später ein ungemütliches Sturmtief übers Land zog und die drückende Hitze der letzten Wochen weg blies war uns klar, dass wir mit unserem Vorhaben eine Woche zu früh dran waren. Unter Wasser waren die ersten handfesten Anzeichen des endenden Sommers scheinbar noch nicht angekommen, der sprichwörtliche Schalter bei den Fischen noch nicht umgelegt.
Dranbleiben
Auch die kommenden Wochen über präsentierte sich das Wetter weiter wechselhaft. Immer wieder brachte der böige Wind ergiebige Schauer mit. Die Nächte kühlten plötzlich deutlich ab, der Morgentau auf den Wiesen und das mystische Dampfen des Wassers im ersten Licht des Tages machten uns unmissverständlich klar: Der Herbst kommt! Nun hieß es dranbleiben. Die Futtertaktik wurde angepasst, statt des groß angelegten Futterplatzes sollte eine Mischung aus mit Scopex-Liquid individualisierten Partikeln und Yellow Scopex Boilies die Fische in Fresslaune bringen, gefüttert auf einem eher kompakten Areal. Und diesmal ging der Plan auf. Das weiterhin herbstliche Wetter spielte uns in die Karten und nun hatte es sich auch bei unseren geschuppten Freunden rumgesprochen: Die warmen Tage sind längst gezählt, Zeit sich ein Polster für den Winter anzufressen!
Herbstfeeling
Und endlich ist es wieder da, dieses Herbstfeeling, dass man einfach am Wasser erleben muss: Der Atemnebel, der einem im Schein der Kopflampe den Blick verstellt, wenn man nachts einen guten Fisch im Drill hat. Das Rufen der Gänse und anderer Zugvögel, die sich auf ihre große Reise gen Süden vorbereiten. Die kleinen Frösche, die noch vor Kurzem als Kaulquappen das Flachwasser bevölkerten. Das glasklare Wasser, dass die Farben so intensiv zur Geltung kommen lässt. Die ersten Pilze, die ihre Köpfe aus dem duftenden Waldboden recken. Hier verabschiedet sich gerade der Sommer, das Jahresende rückt mit Macht näher.
Beim Verlassen des Sees bemerke ich einen Admiral, der sich dankbar am reich gedeckten Tisch an überreifem Fallobst labt, den letzten Überbleibseln der warmen Jahreszeit. Doch von Wehmut keine Spur. Denn wenn die Tage kürzer werden, beginnt nicht nur für den Schmetterling eine ganz heiße Zeit!
Philipp Magenheimer
Autor
Philipp Magenheimer
beangelt am liebsten die „großen Blauen“ - die Rede ist natürlich von den großen Naturseen in Deutschlands Nord-Osten. Dort findet er die große Freiheit, Fische ohne Namen und immer wieder neue Abenteuer in wilder Natur. Zu seinen Köderfavoriten zählt u.a. Fermented Banana und Dickenmittel 2.0. Auf unserer Website berichtet er regelmäßig von seinen Touren an echte Männergewässer.