Ein Umzug bringt Veränderungen mit sich, sei es beruflich, familiär oder wie bei mir bedingt durch mein Studium. Eine neue bislang unbekannte Gegend will erkundet werden. Da ich derzeit kein Auto besitze mach ich mich bewaffnet mit Fernglas, Polbrille und einigen Baits mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg an neue Ufer.
Der Plan sah es vor einige zuvor bei Google Earth gefunden Seen einen Besuch abzustatten, und Ausschau nach unseren beschuppten Freunden zu halten. Schnell wurde mir klar das die auserwählten See einen Traum für jeden Angler darstellten, jedoch Fußwege von 3 Kilometern und mehr es mir nicht zulassen würden, diese so zu befischen wie ich mir es vorgestellt hatte. Enttäuscht und frustriert brach ich die ganze Aktion nach 2 Tagen ab.
Dieser Zustand hielt jedoch nicht sehr lange an. Auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch für einen Nebenjob, erblickte ich nach 2 minütigen Busfahrt einen See, welcher wie ein rießiger Goldbarren durch das noch lichte Grün der Bäume schimmerte. Kaum zu Hause angekommen wurde nach diesem Schatz im Internet gesucht. Die Suche blieb jedoch ohne Erfolg und bescherte mir einige schlaflose Nächte.
Das Fieber an diesem Ufer fischen zu dürfen hatte mich gepackt. In den nächsten Wochen stattete ich dem See viele Besuche ab, immer in der Hoffnung Angler anzutreffen, denn Boote lagen zum Angeln an einem Steg bereit. Jeder Spaziergänger und ein paar Anwohner mussten mir Rede und Antwort stehen, doch auch von ihnen war nichts zu erfahren.
(Fisch in Sicht…)
(…Licht in Sicht!)
Zweifel überfielen mich doch an aufgeben war nicht zu denken. Abend für Abend glühte meine Internetleitung, 100te Seiten öffnen und wieder schließen mit der Hoffnung etwas über diesen See zu finden. Da… Was war das? Nochmals hoch scrollen, da endlich ich habe ihn, ich habe seinen Namen. Ab diesem Zeitpunkt war alles andere reine Routine und gestaltete sich als recht einfach. Zwei Tage nach Erhalt der lange ersehnten Angelerlaubnis war ich am Wasser. Ausgerüstet mit einer Spinnrute, Polbrille und 3 Kilo GLM Baits erkundete ich das Gewässer. Ich suchte mit einem schweren Gummifisch den Seegrund nach möglichen Spots ab, als urplötzlich wie aus dem nichts 3 Karpfen direkt vor meinen Füßen auftauchten und mit dem Fressen begannen. Eine Weile lang beobachtete ich die Drei und warf hin und wieder einen Boilie ins Wasser. Anfangs noch verhalten, fraßen sie die Boilies nun bereits in der Absinkphase. Es wurden immer mehr Fische welche sich um das Futter stritten, und dann sah ich Ihn.
(Die Fische sind meistens dichter am Ufer als wir glauben.)
(Was verbirgt sich unter diesem Algenteppich?)
Ein Schuppie welcher deutlich größer als seine Kollegen war. Ein skurriler Fisch mit verkrüppelter Schwanzflosse und allem Anschein nach gebrochener und verkrüppelter Schwanzwurzel. In diesem Augenblick schoss es mir durch den Kopf… Was machst du noch hier? Hol dein Zeug und fang Ihn! Dank der nur sehr kurzen Busfahrt war ich bereits eine halbe Stunde später mit dem Nötigsten zurück. Von den Fischen und den 2 Kilo Baits welche ich vorher noch versenkt hatte fehlte jedoch jede Spur. Weit können sie nicht sein, und so durchbrach die erste Montage bestückt mit einem Schneemann bestehend aus einem 20mm GLM Boilie gepaart mit einem White Lightning Pop Up die Wasseroberfläche. Noch bevor ich den Bissanzeiger anschalten konnte lief diese Rute auch schon ab. Wahnsinn was ist denn hier los. Nach einem kurzen aber harten Drill glitte ein makelloser Bewohner des See über meinen Kescher. Yes der erste Fisch aus einem neuen Gewässer und das in nicht einmal 30 Sekunden, so kann es weiter gehen.
(Unberührte Fische…? Hatte ich da was gefunden?)
Voll motiviert warf ich die Rute erneut an die Schilfwand. Die zweite Rute legte ich ca. einen Meter vom Ufer entfernt direkt unter meiner Rutenspitze ab. Abgesenkt wurde die Schnur unmittelbar am Ufer. Komisch sieht das ja schon aus, wenn die Schnur auf einen zu verläuft und nicht weg von den Ruten zeigt wie man es normalerweise gewöhnt ist. Die nächsten zwei Stunden war Funkstille angesagt und ich versuchte die Fische zu lokalisieren doch bis auf den ein oder anderen Brassen war nichts zu sehen.
(Ruhe und Abgeschiedenheit und keine anderen Angler die einem den Platz streitig machen, sobald der erste Fisch gefangen ist? So was soll es noch geben, abseits der Wege…)
(An Gewässern die wenig beangelt werden, geht’s auch viel schneller mit dem Erfolg! Wer will schon wochenlang blanken nur um dann den Einen zu fangen der kürzlich erst in der Presse war? Nur die Wenigsten die sich aber definitiv dafür am wichtigsten nehmen…)
Kopfkino spielte sich ab, lagen die Ruten auch verwicklungsfrei und sauber, war die Stelle vielleicht doch nicht die Richtige. Ein einzelner Piep und eine steil nach unten gebogene Rutenspitze brachte mich zurück in die Realität. Nur was war das, was da so komisch an der Rute zappelt. Ein sich im Drill an der Oberfläche drehender Fisch, ähnlich einem Spinner war mir bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht an den Haken gegangen. Im Kescher erkannte ich Ihn das Erste mal. Es war der skurrile verkrüppelte Schuppie welchen ich mittags noch am Platz fressen gesehen habe. Beim anheben des Keschers bemerkte ich schnell das es sich um einen besseren handeln musste. Bei einem bestätigten Seerekord durch die Vorstandschaft von 13kg, lag der neue Seerekord nun vor mir und das gleich beim zweiten Fisch aus diesem Gewässer. Einfach nur Wahnsinn, all die Mühen im Vorfeld hatten sich auf einen Schlag aufgelöst und ich war froh darüber, nicht aufgegeben zu haben und mein Ding durchgezogen zu haben. Zufrieden und erleichtert packte ich mein Zeug ein, das restliche Futter verteilte ich auf beiden Plätze in der Hoffnung am folgenden Tag wieder zuschlagen zu können.
(Er war’s der Fisch mit der auffälligen Schwanzflosse!)
Am nächsten Mittag saß ich gegen 13 Uhr erneut an der Stelle. Diese Entscheidung stellte sich als goldrichtig heraus. Ich fing binnen vier Stunden 5 Fische und verlor leider einen Guten im überfluteten Uferbereich in den Büschen. Es war der absolute Wahnsinn, alle Fische bissen direkt vor meinen Füßen in nicht einmal einem Meter tiefen Wasser. Gedanken machte ich mir dennoch, denn die andere Rute an der Schilfwand zeigte keinerlei Aktion auf. Ich beschloss mit einem Lächeln im Gesicht diesen erfolgreichen Tag zu beenden und noch etwas für die Uni zu tun. Die letzten zwei Kilo GLM Boilies flogen ins Wasser. Wieso aber die Schilfrute nicht gelaufen ist, ging mir nicht aus dem Kopf. Just in dem Moment als der letzte Boilie die Wasseroberfläche durchbrach, ballerte die totgeglaubte Rute los. Verdutzt sah ich mir das ganze an, bevor ich realisierte was da gerade läuft. Mit unbändiger Kraft stürmt der Fisch auf einen versunkenen großen Baum zu, in der Hoffnung dort Schutz zu finden. Hand auf die Spule und Rückwärts laufen war angesagt und das schnell wenn ich ihn nicht verlieren will. Es funktionierte, jedoch nicht all zu lange. Ich spürte das dies ein Guter sein musste denn ich gewann keinen Meter Schnur, stattdessen bewegte sich der Fisch stark nach links und verschwand 30 Meter links von mir im überschwemmten Uferdickicht. Auf biegen und brechen mit stark scheuernder Schnur zog ich mein Gegenüber Meter für Meter näher. Die letzten Äste beginnen zu wackeln, jetzt bloß keinen Fehler mehr machen. Kurz darauf konnte ich ihn das erste mal im Kescher bewundern. Einen Jubelschrei konnte ich mir nicht verkneifen. Was für ein Fisch und das aus diesem Gewässer. Kamera und Stativ standen bereits bereit. Wiegen ist angesagt. Ich schüttelte den Kopf und grinste, neuer Seerekord schoss es mir durch den Kopf. Ich war überglücklich und musste die letzten zwei Tage sacken lassen.
(Das war doch ein toller Beginn am neuen See!)
Mein Entdeckergeist wurde wieder einmal belohnt, denn was gibt es schöneres als in ein Abenteuer zu starten, von dem der Ausgang völlig ungewiss ist. Ich bin gespannt welche Überraschungen dieser See in Zukunft noch für mich parat hält.
(Meister Buntspecht muss auch suchen bevor er fündig wird!)
Viele Grüße und probiert einfach was aus,
Peter Kölble